7.1 Zitieren – wörtlich oder sinngemäß?
Viele Seminar- und Diplomarbeiten sehen aus wie Zitatensammlungen: ein wörtliches Zitat folgt dem anderen, die eigenen Worte des Verfassers beschränken sich auf ein paar verbindende Sätze, die im Extremfall auch nur wiederholen, was die zitierten Autoren sagen. Oft finden sich auch mehrere Zitate mit ein und derselben Kernaussage, nur eben in etwas anderer Formulierung.
Zwar genügt eine solche Arbeit meist den formalen Spielregeln – es wird brav, genau, mit Quellenangaben und Literaturverzeichnis zitiert – aber der Sinn und Zweck der Übung, nämlich die Verarbeitung und Auseinandersetzung mit diesen Autoren und ihren Argumenten, der Diskurs, ist dabei zu kurz gekommen.
Darüber hinaus ist so eine Arbeit im Extremfall auch kaum lesbar: Der dauernde Wechsel in Stil und Begrifflichkeit, den das wörtliche Zitieren mit sich bringt, macht es schwer, eine möglicherweise vom Verfasser dabei verfolgte Linie zu erkennen, wenn er sich selbst so sehr zurückhält. Der Verfasser ist weder Teilnehmer an der Diskussion noch ihr Moderator, sondern agiert eher wie ein unbeteiligter Beobachter, der alle anderen zu Wort kommen lässt, aber selbst zum Inhalt der Diskussion nichts beiträgt.
Die Ursachen für diesen Rückzug auf den „Beobachterposten“ im wissenschaftlichen Diskurs liegen meist schon in der Arbeit, die vor dem eigentlichen Abfassen des Textes geleistet worden ist. Sie sind daher beim Schreiben selbst nur mehr zum Teil behebbar.
Sie zitieren zu oft wörtlich … | Sie können das vermeiden, indem Sie … |
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wenn Sie glauben, nur so zeigen zu können, was und wieviel Sie gelesen haben. | das Gelesene mit eigenen Worten wiedergeben (= paraphrasieren). Dadurch zeigen Sie zusätzlich, dass Sie das Gelesene auch verstanden haben. |
wenn Sie beim Lesen und Notieren nur kurze, aus dem Kontext gerissene Passagen abgeschrieben haben, aus denen sich der Argumentationsgang nicht mehr rekonstruieren lässt. | analytisch lesen (siehe 5.1.3: Analytisches Lesen) und beim Lesen und Notieren (Exzerpieren) bereits ans Schreiben und Argumentieren denken. |
wenn Sie beim Lesen und Exzerpieren viel Material gesammelt haben und es nicht über sich bringen, es wegzulassen – auch wenn es sich inhaltlich wiederholt. | das treffendste Zitat wörtlich wiedergeben und auf andere Autoren, die Ähnliches gesagt haben, nur kurz verweisen. |
wenn Sie nicht sicher sind, ob Sie den Inhalt mit eigenen Worten richtig und treffend wiedergeben können. | bereits beim Lesen (z. B. durch Rekapitulieren in eigenen Worten) kontrollieren, ob Sie den Inhalt wirklich verstanden haben. Lexika, Einführungsbücher etc. helfen dabei, Sicherheit im Umgang mit den Begriffen und Fachausdrücken zu gewinnen; Paraphrasieren üben. |
Wenn Sie aber finden, dass Sie etwas mit eigenen Worten einfach nicht besser sagen können – dann ist ein wörtliches Zitat angebracht! Es gibt auch noch weitere Fälle, in denen ein wörtliches Zitat sinnvoll und notwendig ist:
- Passagen, wo die exakte Wortwahl und Formulierung des Autors wichtig sind, treffende Aussagen, die durch sinngemäße Wiedergabe an Wirkung verlieren würden, Schlüsselsätze oder -passagen, die für einen Argumentationsgang, ein ganzes Werk oder einen Autor bezeichnend sind.
- Texte, die Gegenstand Ihrer Arbeit sind, und die Sie ausführlich analysieren, interpretieren usw. Sind sie länger als eine Seite, sollten sie im Anhang der Arbeit beigefügt werden – trotzdem kann es sinnvoll sein, einzelne (Ab)Sätze auch im Text zu zitieren, um dem Leser dauerndes Vor- und Zurückblättern zu ersparen.
- Texte, die für den Leser schwer oder gar nicht zugänglich sind. Zwar ist es ein Prinzip des wissenschaftlichen Arbeitens, dass es für den Leser nachvollziehbar und überprüfbar sein soll. Der Wert mancher Arbeiten liegt aber gerade darin, solche Quellen (z. B. längst vergriffene oder in Vergessenheit geratene Bücher) zu erschließen.
- Wörtlich zitieren Sie auch mündliche Aussagen, Tonbandaufnahmen von einem Vortrag etc. – solche nicht zugänglichen und nicht überprüfbaren Quellen sollten aber nur verwendet werden, wenn es keine andere (schriftliche, veröffentlichte) Quelle gibt.
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