1.2 Rahmenbedingungen klären

Als Rahmenbedingungen gelten jene äußeren Faktoren, unter denen die wissenschaftlichen Arbeiten durchgeführt werden müssen. Neben den drei wichtigsten Faktoren Zeit, Geld und Infrastruktur können auch andere Bedingungen (z. B. formale Vorschriften) je nach Thema Einfluss auf die Arbeitsbedingungen haben. Die Untersuchung der äußeren Rahmenbedingungen, unter denen die Arbeit gemacht werden muss, ist weniger eine eigene, getrennte Phase in der Projektvorbereitung als eine Reihe von Fragen, die man sich von Anfang an stellt und die immer wieder bei der Entwicklung des Konzepts eine Rolle spielen.

Der wichtigste, aber auch am schwersten einzuschätzende Faktor ist die Zeit. Vorgehensweise, Methodik und die gewählten Arbeitsschritte hängen natürlich weitgehend vom Typus der Arbeit, dem Umfang und der Komplexität der Fragestellung ab. Das ist ein weiterer Grund, warum es schwierig ist, allgemeine Hilfestellungen zu geben. Doch zumindest können für Qualifikationsarbeiten, wie sie für Studium und wissenschaftliche Karriere verlangt werden, Richtwerte (z. B. die im Studienplan vorgesehenen Zeiten) oder durchschnittliche Erfahrungswerte angegeben werden. Diese Werte dienen als erste Orientierung, von denen dann auf die entsprechenden Arbeitsphasen rückgerechnet werden kann.

Ein anderer Begrenzungsfaktor ist der bei bestimmten Arbeiten vorgegebene Abgabetermin. Für Zeitschriftenartikel oder Kongressbeiträge gibt es fixe Termine, aber auch für Diplomarbeiten kann es eine festgelegte Bearbeitungsfrist geben. Hier wird man vom Endtermin ausgehen und rückrechnen, um herauszufinden, wieviel Zeit man sich für die einzelnen Phasen erlauben kann. Dabei sollte man unterscheiden zwischen „Brutto“ (die Wochen, Monate … bis zur Fertigstellung) und „Netto“ (die tatsächlich während eines Tages, einer Woche etc. für die Arbeit verfügbare Zeit).

Die „Nettozeit“ können Sie herausfinden, indem Sie eine Woche hindurch über die Verwendung Ihrer Zeit Buch führen. Wenn Sie dabei realistische Zeiten für Essen, Schlafen, Erholung, Fahrten, andere Arbeiten usw. berücksichtigen und dazu noch Pufferzeiten für unvorhergesehene Ereignisse mitrechnen (und nicht zu knapp), dann kommen Sie wahrscheinlich zu einer Netto-Arbeitszeit, die wesentlich geringer ist, als Sie angenommen hatten. Das macht aber nichts – denn dies ist dafür nun eine realistische Annahme. Bedenken Sie auch, dass anspruchsvolle Arbeiten wie Lesen und Schreiben kaum „zwischendurch“ in einer freigebliebenen Stunde möglich sind, sondern dass Sie Blöcke von mehreren Stunden brauchen, um sich voll auf Ihre Arbeit konzentrieren zu können (was nicht heißt, dass Sie dabei nicht kurze Entspannungspausen einlegen sollen).

Das folgende Beispiel für einen Zeitplan orientiert sich an einer Magister- oder Diplomarbeit, für die ca. sechs Monate zur Verfügung stehen. Als wöchentliche Netto- Arbeitszeit wurden durchschnittlich 40 Stunden angenommen (also relativ viel!), bei fünf Arbeitstagen pro Woche:

1.2.1 Zeitplan für eine größere Arbeit (z. B. Diplomarbeit)

Tab. 1.1: Zeitplan für eine größere Arbeit (z. B. Diplomarbeit)
Sie rechnen … für … vorausgesetzt, dass Sie …
zwei Wochen erste Materialsammlung bereits eine Idee haben
eine Woche Konzepterstellung danach ein Gespräch mit dem/der Betreuer/in führen
zwei Wochen Konzeptüberarbeitung das Konzept nach dem Betreuungsgespräch ändern müssen
drei Wochen Literatursuche, -auswahl und -beschaffung „grünes Licht“ bekommen haben und ca. 100 Seiten pro Tag überfliegen können
neun Wochen Lesen und notieren ca. 50 Seiten pro Tag analytischlesen können, inkl. Notizen machen
vier Wochen Rohfassung schreiben bei 80-100 Seiten Gesamtumfang ca. 4-5 Seiten pro Tag schreiben
drei Wochen Überarbeitung der Rohfassung Einleitung, Schluss, Übergänge noch formulieren müssen
eine Woche Fertigstellung alle inhaltlichen Teile vollständig haben; alle bibliografischen Angaben verfügbar haben
25 Wochen die gesamte Arbeit bis zur Abgabe

1.2.2 Zeitplan für eine Semesterarbeit

Zum Vergleich dazu zeigen wir hier noch einen möglichen Zeitplan für eine kleinere Arbeit (z. B. Semesterarbeit), die nebenher geschrieben werden muss. Hier wurden als wöchentliche Arbeitszeit ca. 10 Stunden angenommen, und als Zeitbudget zehn Wochen.

Tab. 1.2: Zeitplan für eine kleinere Arbeit (z. B. Semesterarbeit)
Sie rechnen … für … Sie sollten …
zwei Wochen erste Materialsammlung und Konzipieren der Arbeit frühzeitig das Thema und damit die Literatursuche eingrenzen
eine Woche ergänzende systematische Literatursuche und -beschaffung sich auf rasch zugängliche Literatur beschränken und die Suche streng zeitlich begrenzen
drei Wochen Lesen und Notieren Notizen möglichst so verfassen, dass sie im Text verwendet werden können
drei Wochen Rohfassung schreiben bei 30 Seiten Gesamtumfang durchschnittlich 2 Seiten pro Tag schreiben
eine Woche Überarbeitung und Fertigstellung Formvorschriften, Zitierweise usw. schon beim Schreiben berücksichtigen
zehn Wochen die gesamte Arbeit bis zur Abgabe

1.2.3 Rahmenbedingungen abklären

Tab. 1.3: Rahmenbedingungen klären
  • Wieviel Zeit steht mir für die Arbeit zur Verfügung? (Abgabetermin, Bearbeitungsfrist, eigene Planung)
  • Wieviel Zeit werde ich für die einzelnen Phasen benötigen, bzw. wieviel darf ich mir erlauben?
  • Wieviel Geld steht mir zur Verfügung, z. B. für Anschaffung von Literatur, Kopien, Reisen, Software, Internet-Zugang usw.?
  • Welche Infrastruktur steht zur Verfügung, mit welchen Beschränkungen? (z. B. PC-Benutzerräume – Ausstattung, Auslastung? Bibliotheken – Öffnungszeiten, Urlaubssperren, Entleihfristen?)
  • Wie ist die Betreuung organisiert? (regelmäßige Treffen oder Sprechstunden, Terminvereinbarung, Abwesenheit …)

Der Einfluss dieser äußeren Bedingungen auf die Themenwahl, aber auch auf Methoden, Ansprüche, Umfang usw. kann sich in verschiedenen Entscheidungen niederschlagen. Die nachfolgende Tabelle listet einige – längst nicht alle – Schwierigkeiten auf:

Tab. 1.4: Auswirkungen der Rahmenbedinungen
Sie haben z.B.… Sie entscheiden… … und handeln (Beispiele)
eine fixe Abgabefrist für die Arbeit Ist das Thema in diesem Zeitrahmen machbar? Thema eingrenzen, Methode ändern (z. B. nur Literaturstudie oder nur empirische Arbeit)
beschränkten Internet-Zugang Wann und wofür verwenden Sie das Internet, wie lässt sich die beschränkte Zeit sinnvoll nutzen? Zeit des Internet-Zugang planen (Uni, Tageszeit), Hilfsmittel kaufen (z. B. Offline Browser)
beschränkten Zugang zu PCs, Druckern etc. Wann und wie wird dieser Zugang am effektivsten genutzt? Lässt sich der Zustand ändern? eigenen PC kaufen, Arbeitsplatz reservieren, PC leihen
Literatur, die nur über Fernleihe verfügbar ist Ist das Thema durch diese Zeitverzögerung im vorgesehenen Zeitrahmen machbar? Literatur sofort anfordern, anderes Thema wählen
Literatur, die nicht entliehen werden darf Öffnungszeiten ausreichend? Literatur kaufen, kopieren
die Erfahrung, dass Sie für eine bestimmte Tätigkeit viel Zeit brauchen, etwa zum Schreiben Wie viel Zeit dürfen (innerhalb eines festen Zeitrahmens) die anderen Tätigkeiten maximal beanspruchen? Arbeitsphase entsprechend einplanen, Hilfe organisieren (z. B. beim Korrekturlesen)
eine Betreuung, die schwer erreichbar ist Gibt es Abhilfen oder Alternativen? Sie vereinbaren Beratungsmodalitäten (Termine, e- Mail etc.), Sie suchen sich eine andere Betreuung

Manchmal können sich während einer (längeren) Arbeitsdauer die Rahmenbedingungen auch ändern. Die Handlungsentscheidungen dieser Tabelle sind daher nicht nur so früh wie möglich zu treffen, sondern an Hand der aktuellen Rahmenbedingungen auch immer wieder zu überprüfen.