5.2 Notizen machen
Abschließend wollen wir die „technische Seite“ des Lesens von Texten noch etwas genauer betrachten: es geht dabei um Hilfsmittel und -tätigkeiten wie Markieren, Notieren und Exzerpieren.
Analytisches Lesen wird unterstützt dadurch, dass man einen Text auch sichtbar und physisch „bearbeitet“, also durch Anstreichen und Anmerkungen. Das ist natürlich nur in eigenen Büchern erlaubt. Bei fremden, entliehenen Büchern muss man sich mit Notizen und Exzerpten auf Notizblättern, Karteikarten usw. begnügen, oder man fertigt Kopien der für die eigene Arbeit zentralen Teile an. Es hilft, wenn man sich schon vor dem Lesen ein bestimmtes Instrumentarium an Markierungen und Notizen zurechtlegt, zum Beispiel:
Sie verwenden … | um… | mögliche Probleme |
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Unterstreichungen (auch in verschiedenen Farben) | wichtige Aussagen (Sätze) hervorzuheben; Stellen für Zitate vorzumerken | zu viele, zu lange Unterstreichungen - hervorhebende Wirkung geht verloren, Text wird schwer lesbar |
vertikaler Strich am Rand | längere Passagen (Absätze) hervorzuheben | wie oben: zu viele, zu lange |
Zeichen am Rand, wie !, ?, #, • u. dgl. | schwächer hervorzuheben; einen Hinweis auf den Inhalt eines Absatzes zu geben, z. B. ? = Frage, ! = Antwort, Argument # = Gegenargument; Stellung zu beziehen, z. B. ? = Zweifel, # = Widerspruch etc. | zu viele verschiedene Zeichen, deren Bedeutung man vergisst oder verwechselt; Mehrdeutigkeit: ist „?“ eine Frage des Autors oder eine eigene? Daher klar trennen; eindeutige Abkürzungen sind vorzuziehen |
Buchstaben, Abkürzungen | Hinweise auf Inhalt eines Absatzes zu geben, z. B. DEF = Definition, B od. BSP = Beispiel, LIT = Literaturhinweis usw. | Buchstaben sind schwerer zu merken als eindeutige Abkürzungen |
Ziffern | den Text zu strukturieren, z. B. eine Reihe von Argumenten | |
Randbemerkungen | zusammenzufassen; zu kommentieren; eigene Gedanken festzuhalten | zu wenig Platz - Randbemerkungen sind oft so klein, gekürzt und schwer lesbar, dass man sie schon bald nicht mehr versteht |
Notizen im Inhaltsverzeichnis | den Aufbau des Buchs festzuhalten | |
leere Seiten am Anfang und am Ende des Buchs | Problemstellung und Inhalt kurz zusammenzufassen | |
verschiedenfärbige Lesezeichen-Etiketten | Stellen im Buch schnell wiederfinden zu können | weniger aussagekräftig als beschriebene Zettel zum Einlegen – Abhilfe: Farbencode verwenden, mit Abkürzungen beschriften |
Man sollte sich jedoch darüber im Klaren sein, dass Markieren und Anstreichen nicht die getrennte Erfassung der Fundstellen (Zettelkasten, Datei) bzw. die spätere Ausformulierung ersetzt, sondern erst die Vorbereitung dazu darstellt.
Beim Bearbeiten eines fremden Buchs stehen weniger Möglichkeiten offen, aber auch diese lassen sich gezielt einsetzen:
Sie machen … | um… | mögliche Probleme |
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eine Kopie des Inhaltsverzeichnisses | die Gesamtstruktur immer präsent zu haben; Notizen zur Struktur darauf zu machen | kurze, wenig strukturierete und aussagekräftige Inhaltsverzeichnisse: ausführliche Notizen machen |
Abschriften von Kernaussagen und besonderen Formulierungen | diese Stellen bei Bedarf wörtlich zitieren zu können; sie später zusammenzufassen oder zu paraphrasieren | Fehler bei der Abschrift; genaue bibliograf. Angaben machen (z. B. Seitenwechsel markieren); fehlender Kontext |
schriftliche Zusammenfassungen | den Inhalt zu verarbeiten; sich an den Inhalt zu erinnern | Bei Verwendung von losen Zetteln oder Karteikarten geht der Zusammenhang verloren |
Paraphrasierende Exzerpte | das eigene Verständnis zu prüfen; das Buch mit eigenen Worten zu zitieren | Paraphrase zu nah am Text = Plagiat, selbst mit Quellenangabe! Paraphrase muss eigenständige Formulierung sein |
Kopien wichtiger Abschnitte (z. B. Zusammenfassung, Grafik) | schwierige Stellen später nochmals bearbeiten zu können; sich längeres Abschreiben zu ersparen | Kopieren ersetzt nicht das Lesen und Verarbeiten; bibliograf. Angaben auf Kopien nicht vergessen; Ablage-Ordnung (z. B. zusammen mit Exzerpten) |
Kritische Exzerpte (= Kommentare, eigene Gedanken und Anmerkungen) | erste Textstücke schriftlich auszuarbeiten; mit dem Buch in einen Diskurs zu treten | Vermischung mit Auszügen vermeiden - deutlich markieren oder trennen, was eigene und was fremde Gedanken sind |
Wir besprechen hier sowohl hand- oder maschinschriftliche als auch computergestützte Methoden:
Wenn man von Hand exzerpieren will, sollte man sich von vornherein auf ein bestimmtes System festlegen und dabei bleiben:
- DIN A4-Blätter bieten genügend Platz auch für längere Exzerpte. Mit Papier sollte man dabei nicht sparen, also: breiten Rand lassen für nachträgliche Stichworte und Zusätze; auch Seitenzahlen werden am besten am Rand vermerkt. Auch für kurze Exzerpte eigene Blätter verwenden; am Kopf die Quelle und die Schlagwörter vermerken. A4-Blätter lassen sich gut in Ordnern ablegen, zusammen mit den evt. gemachten auszugsweisen Kopien. Listen von Fundstellen werden nach Schlagwörtern bzw. Fragestellungen geführt.
- Karteikarten für Exzerpte sollten nicht zu klein sein – das verleitet zum Zerstückeln, bei dem leicht der Zusammenhang verloren geht. DIN A6-Format (Postkartengröße) ist für längere Exzerpte (Zusammenfassungen, Kommentare) eigentlich schon zu klein. Die Ablage im Karteikasten erfolgt alphabetisch nach Autor oder – wenn man ein klares Schema hat – nach Schlagwörtern. Vorteil bei Karteikarten ist die Möglichkeit, sie nach verschiedenen Gesichtspunkten zu ordnen und sie zur Übersicht aufzubreiten.
- Notizzettel: Für sie gilt dasselbe wie für Karteikarten. Sie werden vor allem zum Einlegen in Bücher verwendet und können mit Karteikarten und großen Blättern kombiniert werden.
Ganz gleich welches System Sie verwenden: Exzerpte sollten so geschrieben sein, dass sie auch nach ein paar Wochen oder Monaten noch lesbar und verständlich sind und das mühsame, wenn nicht gar unmögliche erneute Nachlesen im bearbeiteten Buch ersparen.
Allen Methoden des computergestützten Exzerpierens ist gemeinsam, dass ein einmal erfasster Text im Prinzip immer wieder verwendbar ist. Unter diesem Gesichtspunkt zahlt es sich auch aus, handschriftliche Exzerpte (z. B. aus der Bibliothek mitgebrachte) nochmals einzugeben. Die Methode will aber doch gut überlegt und geplant werden. Vor allem müssen Sie gleich zu Beginn entscheiden, welche Anwendungssoftware Sie für Ihre Notizen verwenden: das Textverarbeitungsprogramm, eine Datenbank oder die Literaturverwaltungssoftware.
Exzerpte mit einem Textverarbeitungsprogramm zu schreiben ist dann sinnvoll, wenn es sich dabei um längere, zusammenhängende Texte handelt. Das Anlegen von vielen Einzeldateien (etwa entsprechend Karteikarten) führt zu Problemen in der Dateibenennung und -verwaltung. Die Suchfunktion von Textverarbeitungsprogrammen erlaubt es, in Dateien nach beliebigen Ausdrücken zu suchen. Damit kann jede Stelle in einem Exzerpt relativ leicht wiedergefunden werden. Ein weiterer Vorteil kann sein, dass Stücke (Zitate) aus Exzerpten leicht von einer Datei zur anderen übertragen werden können. Selbst wenn man die Arbeit mit dem selben Programm wie die Exzerpte schreibt, sollte man beim Exzerpieren auf alle Formatierungen verzichten, weil dadurch die Übernahme von Textstücken nur mühsamer wird.
Literaturverwaltungsprogramme bieten meistens die Möglichkeit zur Eingabe auch längerer Texte zu jedem Datensatz (= bibliografische Angabe). Das ist ausreichend, um zu jedem Werk genau ein Exzerpt (Zusammenfassung, Abstract) zu erfassen. Es ist nicht geeignet, um ein Buch zu „verzetteln“, also nach Schlagworten, Themen usw. getrennte Exzerpte und Notizen anzulegen.
Dem altbewährten Karteikasten in der Funktion am nächsten kommen Datenbankverwaltungen. Das Entwickeln und Benutzen einer maßgeschneiderten Exzerptdatenbank erfordert bei modernen Programmen keine besonderen Computerkenntnisse. Wenn auch längere Exzerpte erfasst werden sollen, ist ein Programm erforderlich, das entsprechend große Textfelder zulässt. Ein Datensatz (= Karteikarte) so einer Datenbank könnte Felder vorsehen für:
- Quellenangabe: eindeutiger Kurzbeleg (z. B. in Harvard-Notation). Die vollständige Literaturangabe ist hier nicht notwendig und würde nur unnötigen Aufwand beim Eingeben bedeuten. Die bibliografischen Angaben sind für jedes Werk vollständig in einer anderen Datenbank oder in der Literaturverwaltung erfasst.
- Seitenangabe (von – bis): bei kurzen Exzerpten (z. B. wörtlichen Zitaten) steht hier die genaue Seitenangabe. Bei längeren Exzerpten muss zusätzlich im Text jeweils die genaue Angabe erfolgen (Seitenwechsel markieren, z. B. mit „/“).
- Schlagwortliste: Sie muss nicht von vornherein festgelegt werden – was meistens sowieso nicht möglich ist, wenn man sich in ein Thema erst einarbeitet. Andererseits kommt man aber in Probleme, wenn man mit dem Erfinden neuer Schlagworte zu großzügig und eilig ist – sie verlieren dann ihren Wert, nämlich die Exzerpte zu gruppieren und zu inhaltlichen Gesichtspunkten zusammenzubringen. Die Eingabe mehrerer Schlagworte in ein Feld ist nur sinnvoll, wenn das Programm das gesamte Feld nach einem Ausdruck durchsuchen kann und nicht nur den Anfang.
- Text: Obwohl Datenbanksoftware meistens Formatierungsmöglichkeiten (wie Fett, Kursiv, Schriftgrößen etc.) bieten, wird man sich so weit wie möglich auf Rohtext beschränken. Die spätere Übernahme in die Arbeit lässt sich durch Kopieren und Einfügen (Copy and Paste) bewerkstelligen. Dieses Feld für den „Inhalt“ kann lange Exzerpte ebenso aufnehmen wie den bloßen Hinweis auf eine Fundstelle.
Eine Datenbank hat den Vorteil, dass sie nach verschiedenen Gesichtspunkten geordnet, durchsucht und gefiltert werden kann. Es können also alle Exzerpte zu einem bestimmten Buch ebenso zusammengesucht werden wie alle Einträge zu einem bestimmten Schlagwort.
Es ist Geschmacksache, ob man lieber am Bildschirm Exzerpte durchliest oder sie ausdruckt und auch auf Papier aufbewahrt. Lesen ist auf Papier weniger anstrengend und gibt oft einen besseren Überblick. Außerdem kann man in den ausgedruckten Exzerpten nach Belieben anstreichen und hervorheben, was man beim gespeicherten Text ja vermieden hat. Zusammenfassend stellen wir die beiden Methoden des „Aneignens“ von Texten - Kopieren und Exzerpieren - einander gegenüber.
+/- | Kopien | +/- | Exzerpte | |
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Zugriff auf Originaltext | + | jederzeit möglich | - | nicht oder nur mit großem Aufwand möglich |
Zeitaufwand | + | gering | - | hoch |
Kosten | - | bei zahlreichen Kopien berücksichtigen | + | praktisch keine |
Aufbewahrung | Ordner, umfangreiche Kopien heften od. binden -> Schachteln | Dateien -> Datensicherung, Ausdrucke -> Ordner | ||
Bearbeitung | - | muss erst noch erfolgen | + | Exzerpieren ist bereits Bearbeitung |
Gefahr | - | blindes Sammeln, zu viel wörtliches Zitieren | - | unvollständige Exzerpte (z. B. neu auftretende Gesichtspunkte); „Verzettelung“ = Verlust des Zusammenhangs |
Vorteil | + | Besitz des Originals (Zitate, Markieren); schriftl. Ausarbeitung evt. direkt in Formulierungsphase | + | gründliche Aneignung; Textteile evt. f. Arbeit direkt verwendbar (Dateien!) |
Um es kurz zu sagen: „Kopieren oder Exzerpieren“ ist keine Grundsatzfrage, sondern beides kann sehr gut kombiniert werden, wenn man die Vor- und Nachteile kennt. Der „Besitz“ der Texte in Form von Kopien, Ausdrucken oder Büchern macht das wörtliche Abschreiben überflüssig, und man kann sich beim (zusätzlichen) Exzerpieren auf die Verarbeitung (Zusammenfassung, Paraphrase, Kritik …) konzentrieren. Exzerpieren wiederum fördert die intensive und kritische Auseinandersetzung mit dem Text.