2.2 Grundlagen

Vieles von dem, was Cialdini in seiner Einführung über die Grundlagen des Verhaltens beschreibt, kennen Sie bereits, wenn Sie sich schon mit dem schnellen und langsamen Denken beschäftigt haben, das Daniel Kahneman in seinem gleichnamigen Alterswerk beschreibt; kurz mit System 1 und System 2. Einige Schlaglichter zum Auffrischen.

Ein Grundprinzip unserer Wahrnehmung ist der Vergleich mit Referenzen. So nehmen wir beispielsweise räumliche oder zeitliche Unterschiede deutlicher wahr als gleichbleibende Größen. Das betrifft alle Sinne – Sehen, Hören, Riechen, Tasten – genauso wie abgeleitete Urteile, die natürlich deutlich komplexer sind. Beispielsweise die Beurteilung von Gewinnen und Verlusten. Wir wissen von der Prospect Theory, dass wir Abweichungen von einem Referenzpunkt – häufig der aktuelle Stand der Dinge; der Status Quo – besonders deutlich wahrnehmen. Dabei werden die Abweichungen hin zum Negativen noch besonders gewichtet; Stichwort Verlustaversion. Bei vielen Urteilen, die wir treffen, suchen wir händeringend nach Vergleichsmaßstäben und nehmen, was wir kriegen können – bzw. was eben greifbar ist.

Würden wir für eine Krawatte, die uns ein Verkäufer anbietet, 50 Euro bezahlen? Vermutlich nicht ohne weiteres. Nachdem wir aber vorher schon einen Anzug für 300 und ein Hemd für 100 Euro erworben haben, fallen die 50 weiteren Euro für die Krawatte nicht mehr ins Gewicht. Die 50 Euro sind nun ein Teil von insgesamt 450 Euro und unterliegen damit der abnehmenden Empfindlichkeit. Ein erfahrener Verkäufer weiß, dass er mit den eigentlich teuren Zusatzfeatures besonders gut zum Zuge kommt, nachdem wir schon für die Hauptsache viel investiert haben; das kann ein Anzug, ein Auto oder eine Flugreise sein.

Womit wir schon beim nächsten Beispiel sind, das tatsächlich so passiert ist: Ein Flugzeug ist überbucht. Der Pilot möchte seine Passagiere dazu bewegen, einen späteren Flug zu nehmen. Er kann ihnen dafür 200 Dollar Entschädigung zahlen. Dummerweise sagt er das nicht direkt, sondern macht den offensichtlich nicht ernst gemeinten Vorschlag, den Wechselwilligen jeweils 10.000 Dollar zu bezahlen. Ein amüsant gemeinter Vorschlag, der leider den Effekt hatte, dass keiner der Passagiere den Flug für 200 Dollar wechseln wollte. Wir sind nicht überrascht. Wir erkennen hier den Anker-Effekt am Werk. Auch wenn 10.000 Dollar nicht ernst gemeint waren, steht die Summe im Raum und übt ihren Einfluss aus. Die 200 Dollar wirken im Vergleich dazu geradezu kümmerlich und unattraktiv. Wie so oft: Gut gemeint aber schlecht gemacht.

In unserem Entscheidungsverhalten orientieren wir uns häufig an derartigen Heuristiken – also Faustregeln, die häufig zu brauchbaren Ergebnissen führen, manchmal aber auch daneben liegen und auch ausgenutzt werden können. So sind auch die sieben später beschriebenen Prinzipien im Großen und Ganzen nützliche Erleichterungen, die uns helfen Entscheidungssituationen zu vereinfachen. Wie wir schon wissen, sind diese Heuristiken ein Produkt des schnellen, automatischen und anstrengungsfreien Denkens von System 1.

2.2.1 Kontrastprinzip

Auf dieser Folie finden Sie eine Geschichte, in der eine Tochter bewusst den Referenzpunkt zur Bewertung ihrer Handlungen manipuliert, um mit einem vergleichsweise minderschweren Vergehen ungeschoren davon zu kommen. Bitte einfach lesen.

2.2.2 Aufmerksamkeit

Unsere Aufmerksamkeit wird durch viele Informationsquellen zunehmend beansprucht. Dadurch gewinnen Heuristiken, die uns das kognitive Leben leichter machen, mehr und mehr an Bedeutung. Unsere Aufmerksamkeit ist ein knappes Gut. Wenn wir Dinge beurteilen und Entscheidungen treffen können, ohne darin viel Aufmerksamkeit zu investieren, ist das für uns vorteilhaft; System 2 ist damit entlastet.

Der zunehmende Rückgriff auf heuristische Verhaltensweisen ist zum einen beunruhigend, zum anderen – immer das Positive sehen – können Sie aber davon ausgehen, dass die folgenden Mechanismen auch in 20 oder 30 Jahren noch genauso relevant sind wie heute. Sie kennen zu lernen, ist also Zeit gut investiert.