1.1 Begriffsklärungen
In diesem Abschnitt des Seminars widmen wir uns daher zunächst tiefergehend den latenten Variablen. Wie erörtert finden Sie alle wichtigen Informationen in der Pflichtlektüre und an dieser Stelle ein paar darüber hinausgehende Anmerkungen. Beginnen möchte ich, nachdem Sie die Literatur gelesen haben, mit ein paar Bemerkungen zu den Begriffen, mit denen wir uns auseinandersetzen werden im Verlauf des Seminars.
1.1.1 Latente Variablen
Eine Variable ist ein Merkmal eines Phänomens oder einer Entität, das variiert, also unterschiedliche Ausprägungen annehmen kann. Die Variable unterscheidet sich hierdurch von der Konstante.
Latente Variablen heißen latent, weil sie nicht direkt und unmittelbar beobachtet werden können. Manifeste Variablen können, mit gewissen Einschränkungen, direkt beobachtet werden. So kann das Bildungsniveau relativ gut direkt beobachtet werden, etwa wenn man mit Abschluss eines Bildungsniveaus meist ein Zertifikat wie bspw. ein Abiturzeugnis erhält, dass einem die allgemeine Hoschulreife zuerkennt. Das bedeutet nicht, dass nicht auch diese manifeste Messung Schwächen hat und mit einem Messfehler behaftet sein kann. Der große Vorteil der Modellierung latenter Variablen ist, dass diese sich zumeist auf mehrere Indikatoren stützen und der Messfehler ins Modell aufgenommen wird. Neben dem Unterschied zwischen manifesten und latenten Variablen ist jedoch zunächst die Auseinandersetzung mit dem Begriff Konstrukt von Bedeutung.
1.1.2 Latente Konstrukte
Ein Konstrukt im sozialwissenschaftlichen Sinn ist theoriegeladen. So heißt es im Lexikon zur Soziologie (Fuchs-Heinritz et al. 1994):
“Konstrukte, theoretische,
Begriffe, die sich nicht direkt auf beobachtbare Sachverhalte zurückführen lassen, die jedoch geeignet sind, Beobachtungen aufeinander zu beziehen. Die Anerkennung der t.n K. als sinnvolle Bestandteile wissenschaftlicher Theorien hat in der neueren Wissenschaftstheorie mit zur Überwindung einer strikt empiristischen Wissenschaftskonzeption beigetragen.” (S. 363)
Was ist der Unterschied zwischen latenten Variablen und latenten theoretischen Konstrukten?
Von einer latenten Variable sprechen wir v. a. im Zusammenhang mit der Modellierung und Datenanalyse eines zuvor beschriebenen und operationalisierten theoretischen Konstrukts, da uns hier insbesondere die Varianz, d. h. die Variabilität der empirischen Messung interessiert. Die latente Variable wird durch Indikatoren (im Rahmen der Befragung bspw. Frageitems) operationalisiert, die sich, anders als das Konstrukt selbst, beobachten lassen. Das Konstrukt hingegen steht in der theoretischen Diskussion im Vordergrund. Je nach Zusammenhang wird also eher von Konstrukt oder Variable gesprochen, meist werden diese Begrifflichkeiten jedoch synonym gebraucht (Bandalos 2017, S. 3).
1.1.3 Synonyme Verwendung von Begriffen
An einigen Stellen muss man also aufpassen, dass man die zugrundeliegenden Dinge richtig adressiert. Ob latent oder manifest macht einen Unterschied. Bei latenten Konstrukten und Variablen sind die Grenzen zwar nicht fließend, fallen jedoch generell weniger ins Gewicht.
Wenn nicht anders bezeichnet meint Konstrukt in diesem Seminar also meist ein latentes reflektives Konstrukt, dass als latente Variable mittels konfirmatorischer Faktorenanalyse als latenter Faktor modelliert und analysiert werden kann.
Es kann zudem mitunter bei Ihnen oder auch bei mir durchaus vorkommen, dass man anstatt von Kovarianz aus Versehen von Korrelation spricht.2