Kapitel 8 Maßzahlen des statistischen Vergleichs
Absolute Zahlenangaben sind oft unanschaulich und isoliert betrachtet wenig aussagefähig. So ist etwa die Zahl der binnen einer Woche in einem Landkreis nachweislich an Covid-19 erkrankten Personen von geringem Aussagegehalt, ohne die Einwohnerzahl des Landkreises zu kennen. Erst wenn man beide Zahlen ins Verhältnis zueinander setzt, erhält man ein interpretierbares relatives Maß. Multipliziert man dieses noch mit 100.000, so erhält man den für politische Entscheidungen richtweisenden Inzidenzwert:
Inzidenzwert=Zahl der nachweislich erkrankten Personen der letzten 7 TageEinwohnerzahl⋅100.000
Maßzahlen können für sachliche, räumliche oder zeitliche Vergleiche gebildet werden. Grundsätzlich wird zwischen Verhältniszahlen und Veränderungszahlen unterschieden.
Bei Querschnittsdaten beziehen sich alle Beobachtungswerte auf ein- und denselben Zeitpunkt oder ein- und dieselbe Zeitperiode. Maßzahlen, die aus Querschnittsdaten gebildet werden, nennt man Verhältniszahlen.
Bei Zeitreihen sind die Beobachtungswerte datiert. Sie liegen also in einer zeitlichen Reihenfolge vor. Die hier gebildeten Maßzahlen sollen die Dynamik der Entwicklung im Zeitablauf veranschaulichen und heißen Veränderungszahlen.
8.1 Verhältniszahlen
Verhältniszahlen werden nach Gliederungszahlen und Beziehungszahlen unterschieden. Abbildung 8.1 gibt einen Überblick

8.1: Verhältniszahlen
8.1.1 Gliederungszahlen
Gliederungszahlen kennzeichnet, dass diese eine Teilgröße und eine Gesamtgröße ins Verhältnis zueinander setzten. Die Teilgröße ist vollständig in der Gesamtgröße enthalten. Somit liegen Gliederungszahlen immer zwischen 0% und 100%. Beispiele sind die relativen Häufigkeiten fi.
Gliederungszahlen weisen folgende Eigenschaften auf:
- Teilgröße (Zähler) und Gesamtgröße (Nenner) weisen dieselbe Maßeinheit auf. Die Gliederungszahl ist somit dimensionslos und wird meistens in Prozent angegeben.
- Da die Zählergröße vollständig in der Nennergröße enthalten ist, spricht man auch von einer echten Quote, welche immer zwischen 0% und 100% liegen muss.
Als Beispiel für eine Quote wäre die Durchfallquote bei einer Klausur zu nennen.
8.1.2 Beziehungszahlen
Werden zwei Größen aus unterschiedlichen Grundgesamtheiten zueinander in Beziehung gesetzt, so spricht man von einer Beziehungszahl b.
b=G1G2
Zwischen den beiden mit G1 und G2 bezeichneten Größen muss ein sachlogischer Zusammenhang existieren. Falls G1 und G2 verschiedene Maßeinheiten besitzen, so ist die Beziehungszahl nicht dimensionslos.
Beziehungszahlen werden weiter unterschieden in Verursachungszahlen und Entsprechungszahlen.
Verursachungszahlen
Wird der Zähler einer Beziehungszahl vom Nenner verursacht, so spricht man von einer Verursachungszahl.
Ein Beispiel ist das durchschnittliche Steueraufkommen:
durchschnittliches Steueraufkommen=SteueraufkommenWohnbevölkerung
Andernfalls spricht man von einer Entsprechungszahl
Entsprechungszahl
Ein Beispiel ist die Bevölkerungsdichte Bevölkerungsdichte=EinwohnerzahlFläche
8.1.3 Mittelung von Verhältniszahlen
Bei der Mittelung von Verhältniszahlen kommen in Abhängigkeit der Informationslage das arithmetische oder das harmonische Mittel zur Anwendung. Grundsätzlich wird mit der Mittelung das Ziel verfolgt, über eine festgelegte Zahl von Merkmalsträgern mit zugehörigen Verhältniszahlen die Zähler und Nennersumme zu ermitteln. Die Mittelung von Verhältniszahlen wurde bereits in Kapitel 3.2.2.2 ausführlich behandelt.
8.2 Veränderungszahlen
Die meisten Veränderungszahlen kommen ebenfalls durch die Bildung von Verhältnissen zustande, jedoch nicht ausschließlich. In jedem Fall werden zur Bildug von Veränderungszahlen zwei Zeitreihenwerte aus unterschiedlichen Zeitpunkten (für Bestandsgrößen) bzw. Zeitperioden (für Stromgrößen) herangezogen. Abbildung 8.2 gibt einen Überblick über alle Veränderungszahlen, welche im Folgenden behandelt werden.
8.2: Veränderungszahlen
8.2.1 mögliche Eigenschaften von Veränderungszahlen
Mit vt1,t2 wird allgemein die Veränderungszahl bezeichnet, welche aus den Zeitreihenwerten xt1 und xt2 gebildet wird, also
vt1,t2(xt1,xt2)
Im Folgenden liegen die n+1 Zeitreihenwerte x0 bis xn vor.
Je nach Konstruktion von vt1,t2 sind folgende drei Eigenschaften möglich, welche in bestimmten Fällen das Arbeiten mit Veränderungszahlen vereinfachen:
Symmetrie: Falls vt−1,t=−vt,t−1, so bezeichnet man die Veränderungszahl als symmetrisch.
Additivität: Falls ∑nt=1vt−1,t=v0,n, so bezeichnet man die Veränderungszahl als additiv.
Multiplikativität: Falls ∏nt=1vt−1,t=v0,n, so bezeichnet man die Veränderungszahl als multiplikativ.
Beispiel:
Für die erste Differenz Δxt=xt−xt−1 gilt:
- Symmetrie, da −Δxt=xt−1−xt
- Additivität, da ∑nt=1Δxt=∑nt=1(xt−xt−1)=x1−x0+x2−x1+...+xn−xn−1=xn−x0
- keine Multiplikativität, da ∏nt=1Δxt=(x1−x0)⋅(x2−x1)⋅...⋅(xn−xn−1)≠xn−x0
8.2.2 erste Differenzen
Die erste Differenz wird definiert als:
Δxt=xt−xt−1, t∈{1,..,n}
Auf die Eigenschaften von Δxt (Symmetrie und Additivität) wurde bereits eingegangen.
Der Zeitreihenwert xt kann rekursiv als xt=xt−1+Δxt berechnet werden.
Δxt besitzt dieselbe Dimension, wie die Zeitreihenwerte xt.
Erste Differenzen finden beispielsweise bei der Betrachtung von Aktienkursen Anwendung. So wird neben dem aktuellen Aktienkurs in Währungsangabe meistens auch die Veränderung (erste Differenz) zum Vortag in Währungsangabe übermittelt. Der aktuelle Kurs der thyssenkrupp AG kann über den folgenden Link aufgerufen werden. Neben dem Kursstand übermittelt das Unternehmen auch die Kursänderung zum Vortag (erste Differenz). Zudem wird mit der Wachstumsrate zum Vortag eine weitere Veränderungszahl angegeben.
thyssenkrupp website
lineares Wachstum
Sind die ersten Differenzen zeitunabhängig konstant, Δxt=b, t ∈ {1,...,n}, so folgen die Zeitreihenwerte xt dem linearen Wachstumsmodell: xt=a+b⋅t, mit dem konstanten Steigungsmaß b und a=x0 als Startwert
Im linearen Wachstumsmodell können die Koeffizienten aus zwei Zeitreihenwerten xt1 und xt2 wie folgt bestimmt werden:
b=xt2−xt1t2−t1,a=t2⋅xt1−t1⋅xt2t2−t1
Erläuterung zur Berechnungsvorschrift für den Koeffizienten a
xt1=a+b⋅t1⇔a=xt1−b⋅t1Einsetzen von b=xt2−xt1t2−t1a=xt1−xt2−xt1t2−t1⋅t1=xt1⋅(t2−t1)t2−t1−t1⋅xt2−t1⋅xt1t2−t1=t2⋅xt1−t1⋅xt2t2−t1
8.2.3 Messzahlen
Die mit mb,t bezeichneten Messzahlen drücken das Verhältnis zwischen dem Zeitreihenwert xt, mit variabler Berichtszeit t, zu einem Zeitreihenwert xb, mit fester Bezugszeit b, aus:
mb,t=xtxb
Die Messzahl kann somit auch als Veränderungsfaktor/Wachstumsfaktor mit festem Bezugszeitpunkt interpretiert werden. Der Bezugswert xb wird dabei auch als Basiswert bezeichnet.
Messzahlen bilden die Grundlagen für Indexzahlen, welche zum Beispiel in der Preisstatistik zur Anwendung kommen. Preisindizes stellen gewichtete Mittelwerte von Preismesszahlen dar.
Für die folgenden Preisnotationen für eine Jeanshose sollen die Preismesszahlen zur Basiszeit b=0 bestimmt werden:
t | 0 | 1 | 2 | 3 |
xt | 80€ | 85€ | 90€ | 100€ |
Die Preismesszahlen m0,t lauten:
t | 0 | 1 | 2 | 3 |
m0,0=80€80€=1 | m0,1=85€80€=1,0625 | m0,2=9080=1,125 | m0,3=10080=1,25 |
Durch die Quotientenbildung sind Messzahlen dimensionslos.
Messzahlen sind nicht symmetrisch, nicht additiv und auch nicht multiplikativ.
Die folgenden Operationen sind für Messzahlen im Zusammenhang mit Indizes von Bedeutung:
Umbasierung
Mit der Umbasierung wird die rechnerische Umstellung auf eine neue Basiszeit s bezeichnet.
ms,t=mb,tmb,s=xtxb/xsxb=xtxs
Verkettung
Mit der Verkettung wird die Verknüpfung von zwei Messzahlen mit unterschiedlichen Basiszeiten bezeichnet. Um eine Verkettung von zwei Messzahlen durchführen zu können, muss die Basiszeit der einen Messzahl mit der Berichtszeit der anderen Messzahl übereinstimmen.
mb,t=mb,s⋅ms,t=xsxb⋅xtxs=xtxb
Sofern die einzelnen Zeitreihenwerte xb, xs und xt vorliegen, scheinen die Umbasierung und Verkettung unnötig zu sein, da die gesuchten Messzahlen aus diesen direkt berechnet werden könnten. Häufig sind dem Anwender jedoch nur die Messzahlen bekannt. Mit der Umbasierung und Verkettung von Messzahlen und Indizes werden wir uns in der folgenden Vorlesung noch intensiver auseinandersetzen.
8.2.4 Wachstumsfaktoren und Wachstumsraten
Wachstumsfaktoren
Wachstumsfaktoren qt geben, wie Messzahlen, das Verhältnis zweier Zeitreihenwerte an, mit dem Unterschied, dass im Nenner anstelle des Zeitreihenwertes aus einer fixen Basiszeit immer der Zeitreihenwert aus der dem Berichtzeitpunkt vorangegangenen Zeit steht.
qt=xtxt−1, t ∈ {1,...,n}
Somit kann xt rekursiv bestimmt werden mit xt=qt⋅xt−1.
Die dimensionslosen Wachstumsfaktoren sind nicht symmetrisch und nicht additiv, aber multiplikativ, denn der Gesamtwachstumsfaktor q0,n=xnx0 über n Perioden kann bestimmt werden als:
q0,n=n∏t=1qt=x1x0⋅x2x1⋅...⋅xn−1xn−2⋅xnxn−1=xnx0
Wachstumsraten in diskreter Zeit
Die Wachstumsrate pt kann wie folgt bestimmt werden: pt=Δxtxt−1=xt−xt−1xt−1 pt gibt somit die Änderung des Zeitreihenwertes in Relation zum Vorperiodenwert an.
Die diskrete Wachstumsrate pt kann auch mit Hilfe des Wachstumsfaktors qt bestimmt werden, da folgender Zusammenhang vorliegt: pt=xt−xt−1xt−1=xtxt−1−xt−1xt−1=qt−1 Die dimensionslosen diskreten Wachstumsraten sind nicht symmetrisch, nicht additiv und auch nicht multiplikativ.
durchschnittlicher Wachstumsfaktor
Als durchschnittlicher Wachstumsfaktor ¯q wird jener Wachstumsfaktor bezeichnet, welcher nach n-maliger Anwendung von x0 zu xn führt: x0⋅(¯q)n=xn Wegen x0⋅∏nt=1qt=xn gilt: (¯q)n=n∏t=1qt und somit: ¯q=(n∏t=1qt)1n Der durchschnittliche Wachstumsfaktor ¯q ist somit das geometrische Mittel der Wachstumsfaktoren q1 bis qn.
durchschnittliche Wachstumsrate
Die durchschnittliche Wachstumsrate ¯p bezeichnet jene konstante Wachstumsrate, welche über n Perioden von x0 zu xn führt.
Es gilt somit:
¯p=¯q−1
denn
x0⋅(1+p1)⏟q1⋅(1+p2)⏟q2⋅...⋅(1+pn)⏟qn=x0⋅(1+¯p)n⏟(¯q)n=xn Aufgrund der Multiplikativität der Wachstumsfaktoren qt können ¯q und ¯p auch einfach nur mit Hilfe des Startwertes x0 und des Endwertes xn bestimmt werden: ¯q=(xnx0)1n,¯p=(xnx0)1n−1
8.3 exponentielles Wachstumsmodell
Dem exponentiellen Wachstumsmodell liegt die Annahme einer gleichbleibenden Wachstumsrate zugrunde. Die folgende Animation zeigt für Deutschland die mit einem gleitenden Durchschnitt über 7-Tage geglätteten nachgewiesenen täglichen Covid-19 Neuinfektionen für den Zeitraum vom 28. September bis zum 06. Dezember 2020. Zudem wurde auf Basis der geglätteten Werte für den 01. Oktober und den 29. Oktober ein exponentielles Wachstumsmodell bestimmt. Die Zahl der Neuinfektionen im exponentiellen Wachstumsmodell wurde mit der rot gekennzeichneten Kurve fortgeschrieben und zeigt somit ein unverändertes exponentielles Wachsen der Neuinfektionen über den Zeitpunkt der Lockdown-light Maßnahmen hinaus an.
8.3.1 exponentielles Wachstum in diskreter Zeit
Von einem exponentiellen Wachstum in diskreter Zeit spricht man, wenn die Anzahl der Zuwächse endlich ist.
Die Wachstumsgleichung lautet:
xt=x0⋅qt
Mit q wird der gleichbleibende Wachstumsfaktor bezeichnet, so dass für die gleichbleibende Wachstumsrate p gilt:
p=q−1
Der Exponent t gibt die Anzahl der Zuwächse an. Es wird davon ausgegangen, dass die Zuwächse immer am Ende einer Periode stattfinden.
Mehrjährige Festgeldanlagen mit Zinseszinsen und einem konstanten jährlichen Zinssatz folgen diesem Wachstumsmodell.
Auf Basis einer solchen Geldanlage sollen die folgenden Fragestellungen beantwortet werden.
In welcher Zeit verdoppelt sich die Geldanlage mit einem Zinssatz in Höhe von p?
Wie hoch muss der Zinssatz p gewählt werden, wenn die Geldanlage in Höhe von x0 nach t Jahren xt entsprechen soll?
Welcher Betrag x0 ist in der Periode 0 anzulegen, um nach t Jahren einen Betrag in Höhe von xt ausbezahlt zu bekommen?
Wie ist die Wachstumsgleichung jeweils umzustellen?
Die Antworten finden Sie im folgenden Video:
Bevölkerungswachtum
Viele exponentiell wachsende Größen, wie z.B. die Wohnbevölkerung, wachsen kontinuierlich und nicht nur am Ende einer Zeitperiode. Das Wachstum kann dann am besten durch das exponentielle Wachstumsmodell in stetiger Zeit beschrieben werden. Werden die Wachstumsraten, wie im Folgenden beschrieben, auf Basis der Bevölkerungszahlen aus zwei Zeitpunkten ermittelt und fallen die Wachstumsraten nicht allzu groß aus, so unterscheiden sich die Wachstumsraten des diskreten und des stetigen exponentiellen Wachstumsmodells kaum voneinander.
Im Hinblick auf das exponentielle Wachstumsmodell für die Wohnbevölkerung vereinbaren wir, dass Sie wahlweise das exponentielle Wachstumsmodell in diskreter Zeit oder in stetiger Zeit verwenden dürfen, sofern in der Aufgabenstellung nicht explizit ein bestimmtes der beiden Modelle gefordert wird.
Beispiel
Im Jahr 2008 lebten in Mexiko 111,3 Mio. Menschen. Zur selben Zeit lebten in der Demokratischen Republik Kongo 66,41 Mio. Menschen.
10 Jahre später lebten in Mexiko 124,74 Mio. Menschen und in der DR Kongo 89,25 Mio. Menschen.
Ermitteln Sie auf der Basis des Bevölkerungswachstums in der Dekade 2008-2018 das Jahr, in dem die Bevölkerungszahlen in Mexiko und DR Kongo gleich sein werden.
Die Lösung finden Sie im folgenden Video:
8.3.2 exponentielles Wachstum in stetiger Zeit
Geht man davon aus, dass sich eine Geldanlage unterjährig verzinst und wählt als Ausgangspunkt für die unterjährige Verzinsung die Wachstumsrate p einer jährlichen Verzinsung, so wird mit pn die Wachstumsrate der unterjährigen Verzinsung bezeichnet, wobei mit n die Frequenz der Verzinsung angegeben wird. Bei monatlicher Verzinsung wäre somit n=12 zu wählen und bei täglicher Verzinsung nach kaufmännischer Rechnung mit 360 Tagen entsprechend n=360.
Der Gesamtwachstumsfaktor bei einer Verzinsung über ein komplettes Jahr ist für beide Varianten in Abbildung 8.3 dargestellt.

8.3: vom diskreten zum stetigen Wachstum
Der Gesamtwachstumsfaktor entspricht im Grenzwert also ep.
In der Betrachtung über t Jahre folgt somit für den Gesamtwachstumsfaktor (ep)t=ep⋅t
Zur besseren Abgrenzung vom exponentiellen Wachstumsmodell in diskreter Zeit, wird die Wachstumsrate für das Wachstumsmodell in stetiger Zeit nun mit b bezeichnet.
Grundsätzlich lässt sich im exponentiellen Wachstumsmodell in stetiger Zeit für t jede beliebige nicht negative reelle Zahl einsetzten.
Das exponentielle Wachstumsmodell in stetiger Zeit lautet dann:
x(t)=x(0)⋅eb⋅t,t≥0
Wir beschränken uns in der Anwendung auf eine abzählbare Zahl äquidistanter Zeitreihenwerte für die Modellzeiten t=0,...,n und notieren daher die Modellgleichung:
xt=x0⋅eb⋅t,t=0,...,n
Die Wachstumsrate b ermitteln wir durch Umstellen bei gegebenen Zeitreihenwerten x0 und xt mit
b=ln(xt)−ln(x0)t
Beispiel
Betrachtet wird die Zahl der täglich nachgewiesenen Covid-19 Neuinfektionen, welche durch ein exponentielles Wachstumsmodell in stetiger Zeit modelliert werden soll.
In welcher Zeit verdoppelt sich die Zahl der täglichen Neuinfektionen bei einer Wachstumsrate in Höhe von b?
Wie hoch fällt die Wachstumsrate b aus, wenn sich die Zahl der täglichen Neuinfektionen innerhalb von t Tagen verdoppelt?
Die beiden Fragen werden im folgenden Video beantwortet:
exponentielle Wachstumsmodelle in diskreter und stetiger Zeit im Vergleich
Wie müsste die Wachstumsrate im Wachstumsmodell in stetiger Zeit gewählt werden, damit in beiden Modellen das Gesamtwachstum über t Perioden identisch ausfällt?
Zunächst werden die beiden Wachstumsmodelle gleichgesetzt, da diese jeweils nach t Perioden einen identischen Wert xt erzielen sollen:
x0⋅qt!=x0⋅eb⋅t⇔qt=eb⋅t⇔ b=ln(q)=ln(1+p)
Nur für kleine Wachstumsraten liegen die diskrete Wachstumsrate p und die stetige Wachstumsrate b nahe beieinander.
Beispiel:
p=0,03⇒b=ln(1,03)=0,02956≈0,03 hingegen p=0,5⇒b=ln(1,5)=0,405465≠0,5
Die folgende Grafik zeigt auf, wie die Wachstumsraten p und b gewählt werden müssten, um in den Wachstumsmodellen in diskreter und stetiger Zeit ein identisches Wachstum zu erzielen.
Zurückblickend lässt sich an dieser Stelle noch festhalten, dass man durch Anwendung des exponentiellen Wachstumsmodells in stetiger Zeit auf die Fragestellung des Bevölkerungsgleichstands der Länder Mexiko und DR Kongo zum selben Ergebnis gekommen wäre, wie durch Anwendung des exponentiellen Wachstumsmodells in stetiger Zeit.
Wie oben gesehen, unterscheiden sich die Modelle nur in der Schreibweise der Faktoren q=(xtx0)1t und eb, welche bei gegebenen Zeitreihenwerten xt und x0 identisch sein müssen.
Dies lässt sich auch erkennen, wenn wir für die stetige Wachstumsrate b die Berechnungsvorschrift b=ln(xt)−ln(x0)t einsetzen:
eb=eln(xt)−ln(x0)t=e1t⋅ln(xtx0)=eln((xtx0)1t)=(xtx0)1t=q