Kapitel 4 Stromricherkomponenten
4.1 Versorgung über Stromrichter
Zur Speisung der Antriebe stehen heute meist Drehstromnetze zur Verfügung. Gleichstromnetze sind quasi ausgestorben. Nur in ortsveränderlichen Anlagen, z.B. im Kraftfahrzeug oder bei Notstromaggregaten gibt es noch eine direkte Gleichstromversorgung aus einer Batterie oder Stadtnetz (Trolley-bus, Tram). Drehzahlveränderbare Antriebe, unabhängig davon, ob es sich dabei um einen Gleichstrom- oder Drehstromantrieb handelt, werden heute allgemein über Stromrichter aus dem 50-Hz-Drehstromnetz gespeist. Neue Bauteile und neue Techniken haben dabei zu einer starken Baugrössenreduktion geführt. Abbildung 4.1 zeigt eine Vielzahl an Möglichkeiten um Stromrichter zur Drehzahlveränderung einzusetzen. Bis auf die Variante Asynchronmaschine mit mechanischem Verstellgetriebe gibt es für solche Aufgaben nur noch Stromrichterantriebe. In allen diesen unterschiedlichen Stromrichtern werden Halbleiterbauteile in den Steuer- und Leistungsteilen der Geräte in verschiedenen Schaltungen eingesetzt.
Drehzahlveränderliche elektrische Antriebe bestehen aus einem elektronischen Stellglied - dem Stromrichter -, einer elektrischen Maschine und einer Lastmaschine (Arbeitsmaschine). Je nach Anwendung ist die Verwendung eines zusätzlichen Getriebes notwendig. Die einzelnen Komponenten eines elektrischen Antriebes sind in Tabelle 4.1 detailiert dargestellt.
Komponente | Beschreibung |
---|---|
Stellglied | Stromrichterschaltung zur Anpassung der elektrischen Energie in Form von Spannung, Strom und Frequenz an die Erfordernisse der elektrsichen Maschine. Die Schaltung des Stromrichters besteht dabei aus Dioden, Thyristoren (GTO’s) oder Transistoren (IGBT’s). |
Aktuator (Elektrische Maschine) | Übernimmt die Funktion des elektromagnetischen Energiewandlers. Je nach Anwendungsfall unterschiedliche Maschinentypen (Asynchron-, Synchron- bzw. Gleichstrommaschine). |
Regel- bzw. Steuereinrichtung | Übernimmt die Steuerung bzw. Regelung der elektrischen Kenngrösse des Motors oder der mechanischen Kenngrössen der Arbeitsmaschine. Gleichzeitig werden Schutzfunktionen wahrgenommen (z.B. Überstrom). |
Last | Führt die eigentliche Funktion des Antriebs aus (z.B. Heben, Senken, Pumpen, etc.). |
Der Stromrichter selbst besteht dabei aus einem Leistungs- und einem Regelungs- bzw. Überwachungsteil. Die Abbildung 4.2 zeigt den Aufbau eines Stromrichters mit einem Verbraucher. Die Potentiale der Steuerelektronik und des Leistungsteils sind galvanisch getrennt. Die Signalverarbeitung im Steuerteil erfolgte lange analog, bis die digitale Signalverarbeitung mit Mikroprozessoren vollständig Einzug hielt.
4.2 Elektronische Leistungshalbleiter
Bei der Projektierung von Stromrichterantrieben wird i. allg. auf listenmässige Geräte zurückgegriffen, die richtig bemessene Bauteile enthalten. Daher soll im folgenden auch nur kurz auf die Ar-beitsweise und die Grenzwerte der Halbleiterbauteile eingegangen werden, soweit dies zum Verständnis für den Einsatz generell notwendig ist. Für Sonderfälle sind bei der Auswahl und Anwendung der Halbleiterschalter die Angaben des Herstellers zu. beachten.
Vor gut 100 Jahren erkannte JAMIN die Ventilwirkung des Lichtbogens; 1902 liess sich HEWITT den ersten Quecksilberdampf-Gleichrichter patentieren. Heute werden nur noch Halbleiterbauelemente als elektronische Schalter (Ventile) in den Leistungsteilen der Stromrichter eingesetzt. Folgende Halbleiterbauelemente spielen dabei eine Rolle:
- Dioden
- Alle Arten von Transistoren, bipolare (LTR), unipolare (MOSFET) und der Mischtyp Insulated Gate Bipolar Transistor (IGBT)
- Alle Arten der Thyristoren, wie z.B. Netzthyristoren, schnelle Frequenzthyristoren, rückwärtsleitende Thyristoren (RLT) und abschaltbare GTO-Thyristoren
- Triacs und antiparallele Thyristoren
Über Leistungen, Betriebsfrequenzen und Einsatzgebiete gibt Abbildung 4.3 einen Überblick.
Quecksilberdampf-Gleichrichter kommen für Neuausrüstungen schon lange nicht mehr in Betracht, wenngleich die Terminologie der Stromrichter, z.B. der Ausdruck „Zünden“ (insbesondere im Zusammenhang mit Thyristoren), noch immer an den ehemals brennenden Lichtbogen erinnert.
4.3 Grundlagen der Halbleitertechnik
Grundlage aller elektronischen Ventile (Leistungsschalter) und der Bausteine der Steuerelektronik ist heute die Halbleitertechnik auf kristalliner Siliziumbasis. Im Reinstzustand ist Silizium ein Nichtleiter (Isolator); für den Einsatz in der Halbleiter-Schaltungstechnik wird das Silizium besonders aufbereitet und dann die durch gezielte Dotierung erzeugte Störstellenleitfähigkeit (p, n), bis zu einer Sperrschichttemperatur von etwa 200°C ausgenutzt. So werden die elektronischen Bauteile und Schalter aus positiv (p) oder negativ (n) dotierten Zonen oder Kanälen aufgebaut, siehe Übersicht in Abbildung 4.4, die kurz Auskunft über die Kennlinien und Arbeitsweise der Halbleiterventile gibt.
4.3.1 Die Diode
Der p-n-Übergang bewirkt grundsätzlich eine polaritätsabhängige Leitfähigkeit; dies zeigt sich an der charakteristischen Strom-Spannungs-Kennlinie einer Halbleiterdiode deutlich. (siehe Abbildung 4.4). Legt man an die Anoden-Katoden-Strecke der Diode eine positive (vorwärts) Spannung \(U_{AK}\), so wird die Diode leitend und ist in Durchlassrichtung gepolt (die Schwellspannung \(U_{F}\) von etwa 0,7 V bis 1 V wird meist vernachlässigt). Bei umgekehrter Polung der Spannung (rückwärts) fliesst nur der vernachlässigbare Sperrstrom, die Diode wird im Sperrbereich betrieben. Die anliegende Spannung an der Diode steuert den Stromfluss. Die Diode sperrt erst wieder, wenn der im Kreis fliessende Strom Null wird. Der für das Halbleiterelement zulässige Strom wird durch die abführbaren Verluste bestimmt. Die Temperatur des Kristalls, (Sperrschichttemperatur) darf den im Datenblatt festgelegten Maximalwert, meist 125 bis 200°C, nicht übersteigen. Wegen der geringen Masse der Sperrschicht liegt die thermische Zeitkonstante im ms-Bereich. Halbleiterschalter sind daher kaum überlastungsfähig. Bei Überschreitung der zulässigen Sperrspannung führt der stark ansteigende Sperrstrom ebenfalls zur thermischen Überlastung und zur Zerstörung des Bauteils. Halbleiterdioden werden im ganzen Leistungsbereich der Stromrichter eingesetzt.
4.3.2 Transistoren
Die verschiedenen Arten der Transistoren wurden bereits aufgezählt. Allen ist gemeinsam, dass sie sich im Gegensatz zur Diode durch ein Signal am Steueranschluss ein- und ausschalten lassen. Anders als in der Verstärkertechnik werden die Transistoren in den Leistungsteilen der Stromrichter nur als Schalter betrieben; sie sind betriebsmässig also entweder ein- oder ausgeschaltet, um die Verluste zu reduzieren. Jeder andere Arbeitspunkt würde zu unzulässig hohen Verlusten führen. Probleme ergeben sich bereits durch die Schaltverluste beim Übergang zwischen den beiden stationären Arbeitspunkten (leitend bzw. nichtleitend in Abbildung 4.5). So überwiegen bei 50-Hz-Anwendungen (netzgeführter Stromrichter) meist die Durchlassverluste, während beim Schaltbetrieb (Umrichter), aufgrund der erhöhten Schaltfrequenz, immer mehr die Schaltverluste dominieren.
4.3.3 Der bipolare Transistor
Durch die grossen Fortschritte auf dem technologischen Gebiet erreichten bipolare Transistoren (meist npn-Typen) als Halbleiterschalter grosse Bedeutung, da es gelang, die zulässigen Sperrspannungen auch bei Strömen im Bereich einiger 100 A auf über 1400 V zu steigern. Bei positiver Kollektor-Emitter-Spannung (vorwärts) und fehlendem Basisstrom zeigt der Transistor das Sperrverhalten einer Diode. Der Vorteil dieses Bauteils liegt in der einfachen Steuerung des Kollektorstroms \(I_{C}\) über den Basisstrom \(I_{B}\) (Parameter im Kennlinienfeld). Anders als bei der Diode lässt sich so der Strom beliebig ein- und auch wieder ausschalten. Im Leitzustand ist ein dauernder Steuerstrom in die Basis erforderlich. Negative Vorspannung an der Basis verbessert die Sperreigenschaften. Da bei hohen Kollektorströmen die Grosssignal-Stromverstärkung sehr klein wird, benutzt man Kaskadenschaltungen von mehreren (2 oder 3) Transistoren (Darlington-Transistoren), die gleich in ein Gehäuse integriert sind. Der verringerte Steuerstrom wird jedoch mit grösseren Durchlassverlusten und längeren Schaltzeiten erkauft. In Stromrichtern werden heute Leistungstransistoren bis zu 800 kW Geräteleistung mit Pulsfrequenzen bis zu einigen kHz eingesetzt (siehe Abbildung 4.3. Über den zulässigen Betrieb gibt das Ausgangskennlinienfeld Auskunft. Dort ist das Gebiet für Dauerbetrieb (DC) und die Bereiche erhöhter Leistung durch Impulsbetrieb zu unterscheiden.