Anhang B — Mengen

In der Wahrscheinlichkeitstheorie werden einige Grundbegriffe aus der Mengenlehre verwendet. Sie werden hier auf nicht formale Weise kurz dargestellt. Die Beschreibung orientiert sich an Kapitel 2.5 des Lehrbuchs “Probability Theory and Statistical Inference” (2019), 2nd ed., von Aris Spanos.

B.1 Definition

Unter einer Menge (engl. set) versteht man eine Zusammenfassung von unterschiedlichen Objekten, die man die Elemente (engl. elements) der Menge nennt. Die Objekte können reale physische Objekte oder imaginäre Objekte sein. Die Elemente einer Menge können Zahlen sein, aber es müssen keine Zahlen sein. Wichtig ist, dass die Objekte einer Menge unterscheidbar sind.

Die Elemente einer Menge kann man explizit aufzählen oder durch ihre Eigenschaften definieren. In beiden Fällen werden die Elemente einer Menge durch geschweifte Klammern umfasst. Die Reihenfolge der Elemente in der Menge spielt keine Rolle. Mengen dürfen auch Mengen enthalten.

Beispiele

\(A=\{a, b, c, d, e\}\); \(B=\{b,d\}\); \(C=\{x:x\text{ ist eine gerade Zahl}\}\).

Wenn ein Objekt \(x\) Elemente einer Menge \(A\) ist, schreibt man \(x\in A\) (“\(x\) ist Element von \(A\), engl. \(x\) belongs to \(A\)). Wenn \(x\) kein Element ist, schreibt man \(x\not\in A\).

Beispiele

\(c\in A\), aber \(5\not\in A\); \(-1\in B\), aber \(0\not\in B\); \(8\in C\), aber \(0.5\not\in C\).

Eine Menge kann endlich (engl. finite) viele oder unendliche (engl. infinite) viele Elemente enthalten. Bei Mengen mit unendlich vielen Elementen unterscheidet man verschiedene “Stufen” von Unendlichkeit. Wenn die Elemente im Prinzip mit den natürlichen Zahlen durchnummeriert werden können, nennt man die Menge abzählbar (engl. countable) unendlich. Wenn das nicht geht, heißt sie überabzählbar (engl. uncountable) unendlich. Die Mengen \(\mathbb{N}\) (natürliche Zahlen), \(\mathbb{Z}\) (ganze Zahlen), \(\mathbb{B}\) (Brüche) sind abzählbar unendlich. Die Menge der reellen Zahlen \(\mathbb{R}\) oder Intervalle von reellen Zahlen sind überabzählbar unendlich.

Eine Menge darf auch leer sein. Man nennt sie dann die leere Menge und schreibt \(\{\}\) oder \(\emptyset\).

B.2 Mengenoperationen

Eine Menge \(A\) heißt Teilmenge (engl. subset) der Menge \(B\), wenn alle Elemente von \(A\) auch Element von \(B\) sind. Man schreibt dann \(A\subset B\). Nach dieser Definition gilt auch \(A\subset A\). Auch die leere Menge ist immer Teilmenge einer Menge. Wenn \(A\) keine Teilmenge von \(B\) ist, schreibt man \(A\not\subset B\).

Beispiele

Seien \(A=\{a, b, c, d, e\}\), \(B=\{b,d\}\) und \(C=\{x:x\text{ ist eine gerade Zahl}\}\). Dann gilt \(\{a,d,e\}\subset A\), \(B\subset A\), \(A\not\subset B\), \(\{100,102,104\}\subset C\), \(\emptyset\subset C\).

Die Definition der Teilmenge benutzt man auch, um die Gleichheit zweier Mengen zu definieren. Zwei Mengen \(A\) und \(B\) sind gleich, wenn \(A\subset B\) und \(B\subset A\). Man schreibt \(A=B\). Will man explizit deutlich machen, dass bei \(A\subset B\) auch die Gleichheit mitgemeint ist, wird manchmal die (eigentlich redundante) Notation \(A\subseteq B\) verwendet.

Die Vereinigungsmenge (engl. union) von zwei Mengen \(A\) und \(B\) enthält alle Elemente, die in \(A\) oder \(B\) (oder in beiden) enthalten sind. Man schreibt \(A\cup B\). Da alle Elemente einer Menge unterscheidbar sein müssen, kommen Elemente, die sowohl in \(A\) als auch in \(B\) enthalten sind, in der Vereinigungsmenge nur einmal vor.

Beispiele

Seien \(A=\{a, b, c, d, e\}\), \(B=\{b,d\}\). Dann gilt \(\{a,b,x,y,z\}\cup A=\{a,b,c,d,e,x,y,z\}\), \(A\cup B=A\),

Die Schnittmenge (engl. intersection) von zwei Mengen \(A\) und \(B\) enthält alle Elemente, die sowohl in \(A\) als auch in \(B\) enthalten sind. Man schreibt \(A\cap B\).

Beispiele

Seien \(A=\{a, b, c, d, e\}\), \(B=\{b,d\}\). Dann gilt \(A\cap B=B\), \(\{a,b,x,y,z\}\cap A=\{a,b\}\), \(\{x,y,z\}\cap B=\emptyset\).

Sowohl die Vereinigungsmenge als auch die Schnittmenge kann auf mehr als zwei Mengen verallgemeinert werden. Beispielsweise schreibt man \(A\cup B\cup C\) für die Vereinigungsmenge von \(A\), \(B\) und \(C\) und entsprechend \(A\cap B\cap C\) für die Schnittmenge. Wenn sehr viele Mengen vereinigt oder geschnitten werden, nutzt man eine Notation, die dem Summenzeichen ähnelt, nämlich \[ \bigcup_{i=1}^n A_i \] für die Vereinigung der Mengen \(A_1,A_2,\ldots, A_n\) und \[ \bigcap_{i=1}^n A_i \] für ihre Schnittmenge.

Als Komplementärmenge (engl. complementation) einer Menge \(A\) relativ zu einer Menge \(\Omega\) bezeichnet man alle Elemente aus \(\Omega\), die nicht in \(A\) enthalten sind. Man schreibt \(\bar A\) und spricht “nicht \(A\)” (die Menge \(\Omega\) wird also nicht explizit erwähnt, sie muss sich aus dem Kontext ergeben).

Beispiel

Sei \(C=\{x:x\text{ ist eine gerade Zahl}\}\). Wenn \(\Omega\) die Menge aller natürlichen Zahlen ist (d.h. \(\Omega=\mathbb{N}\)), dann ist \(\bar C\) die Menge aller ungeraden Zahlen.

Sowohl Vereinigungs- als auch Schnittmenge sind kommutativ, d.h. \[\begin{align*} A\cup B &= B\cup A\\ A\cap B &= B\cap A. \end{align*}\]

Außerdem sind sie assoziativ, d.h. \[\begin{align*} A\cup (B \cup C)&= (A\cup B) \cup C\\ A\cap (B \cap C)&= (A\cap B) \cap C. \end{align*}\]

Auch das Distributivgesetz gilt, \[\begin{align*} A\cup (B \cap C)&= (A\cup B) \cap (A\cup C)\\ A\cap (B \cup C)&= (A\cap B) \cup (A\cap C). \end{align*}\]

Als Rechenregel nützlich ist oft die Regel von de Morgan. Sie zeigt, wie die Komplementärmenge einer Vereinigungsmenge oder Schnittmenge aussieht, \[\begin{align*} \overline{A \cup B} &= \bar A \cap \bar B\\ \overline{A \cap B} &= \bar A \cup \bar B. \end{align*}\] Es ist also möglich, die Schnittmengenbildung durch die Vereinigung zusammen mit der Komplementärbildung auszudrücken.

B.3 Venn-Diagramme

Mengen - und vor allem Mengenoperationen - können auch grafisch repräsentiert werden. Eine oft genutzte Methode sind die sogenannten Venn-Diagramme. In einem Venn-Diagramm werden Mengen durch Flächen dargestellt, oft durch Kreise. Die Elemente der Mengen können dann in die Flächen eingetragen werden. Oft interessieren einen jedoch die einzelnen Elemente gar nicht so, sondern man möchte nur die Funktionsweise der Mengenoperationen veranschaulichen.

Am Beispiel von zwei Mengen \(A\) und \(B\) ist das gut zu sehen. Die beiden Mengen werden durch Kreise repräsentiert, der sie umgebende Kasten steht für die Menge \(\Omega\), die für die Komplementärmengen relevant ist.

Will man ausdrücklich \(A\) zeigen, zeichnet man

Entsprechend zeigt

nur die Menge \(B\). Die Vereinigungsmenge \(A\cup B\) ist

Die Schnittmenge \(A\cap B\) ist

Die Komplementärmenge \(\bar A\) ist

Die grafische Darstellung durch Venn-Diagramme kann man auch nutzen, um etwas komplexe Zusammenhänge zu illustrieren, z.B. das Distributivgesetz \[ A\cup (B \cap C)= (A\cup B) \cap (A\cup C). \] Zuerst zeichnen wir die beiden Ausdrücke auf der linken Seite der Gleichung: In der linken oberen Grafik sieht man \(A\), rechts oben \(B\cap C\). In der Mitte darunter ist die Vereinigungsmenge zu sehen.

Auf der rechten Seite der Gleichung stehen ebenfalls zwei Ausdrücke, nämlich \(A\cup B\) und \(A\cup C\). Sie sind in den folgenden beiden oberen Abbildungen zu sehen. Darunter sieht man die Schnittmenge.

Auf ähnliche Weise kann man sich die de Morgansche Regel \[ \overline{A \cup B} = \bar A \cap \bar B \] veranschaulichen. Wir beginnen mit der linken Seite der Gleichung. Die Vereinigung \(A\cup B\) ist im linken Bild zu sehen. Das Komplement dazu steht rechts.

Nun betrachten wir die rechte Seite der Gleichung, also \(\bar A \cap \bar B\). Oben links ist \(\bar A\) abgebildet, oben rechts \(\bar B\). Ihre Schnittmenge ist im unteren Bild gezeigt.