Vorwort

In den Wirtschaftswissenschaften braucht man viele Werkzeuge aus der Mathematik. Dazu gehören natürlich Optimierungsverfahren, die in dem Modul Mathematik 1 behandelt wurden, denn die Kernfrage der Ökonomik ist ja, wie man unter Berücksichtigung von Restriktionen optimal handelt. Ein weiteres für die Wirtschaftswissenschaften sehr nützliches Gebiet der Mathematik ist die lineare Algebra. Wo werden die Werkzeuge der linearen Algebra eingesetzt?

  • Mit Hilfe von Vektoren und Matrizen lassen sich komplexe Situationen oder Modelle mit einer kompakten Notation beschreiben. Die Beschreibung wird dadurch einfacher und transparenter.

  • Die lineare Algebra hilft bei der Lösung linearer Gleichungssysteme. Sie kommen nicht nur in den Wirtschaftswissenschaften, sondern in praktisch allen Wissenschaften vor. Selbst wenn die wahren Zusammenhänge nichtlinear sind, kann die Annahme von Linearität trotzdem als lokale Approximation sinnvoll sein.

  • In der Ökonometrie nutzt man die Methoden der linearen Algebra für die Schätzung empirischer Modelle.

  • Die lineare Algebra ist quasi das technische Getriebe für viele Teilbereiche des Machine Learnings, z.B. neuronale Netze.

In diesem Kurs lernen Sie die Grundlagen der linearen Algebra kennen. Zu Beginn beschränkt sich die Darstellung oft auf den zweidimensionalen (oder manchmal dreidimensionalen) Fall, denn die geometrische Sichtweise auf die lineare Algebra hilft Ihnen, ein intuitives und tiefes Verständnis zu entwickeln. Dadurch wird es später leichter, sich auch in höherdimensionalen Räumen zurecht zu finden.

Einige Werkzeuge der linearen Algebra sind zwar nicht schwierig umzusetzen, brauchen aber viele oder sogar sehr viele Rechenschritte. Dafür lassen sich Computer ideal einsetzen. Viele Programmiersprachen haben Funktionen für die Methoden der linearen Algebra, z.B. für die Invertierung einer Matrix. In diesem Kurs lernen Sie, wie man R für die numerischen Berechnungen einsetzt.

In Kapitel 1 wird erklärt, was Vektoren sind und wie sie geometrisch interpretiert werden können. Kapitel 2 zeigt, wie man mit linearen Transformationen im zwei- oder dreidimensionalen Raum umgeht. Auch hier wird der Schwerpunkt auf die geometrische Sichtweise gelegt. Lineare Transformationen können elegant in Matrixschreibweise ausgedrückt werden. Wie man das macht, wird in Kapitel 3 vorgestellt. Außerdem lernen Sie dort die wichtigsten Regeln zum Umgang mit Matrizen.

Lineare Gleichungssysteme sind das Thema von Kapitel 4. Vermutlich kennen Sie bereits aus der Schule zwei Methoden zur Lösung von linearen Gleichungssystemen, und zwar die Substitution und die Elimination von Variablen. In diesem Kurs lernen Sie ein drittes Verfahren kennen, nämlich die Verwendung von Matrizen.

Eigenwerte und Eigenvektoren werden in Kapitel 5 eingeführt. Das Haupteinsatzgebiet für Eigenwerte sind vor allem dynamische Wirtschaftsmodelle. Im Zusammenhang mit Eigenwerten braucht man im Allgemeinen komplexe Zahlen (d.h. Zahlen mit einer reellen und einer imaginären Komponente). Wir verzichten jedoch auf die allgemeine Behandlung von Eigenwerten und betrachten nur den Spezialfall, in dem die Eigenwerte reell sind.

In Kapitel 6 werden quadratische Formen behandelt. Sie kommen vor allem an zwei Stellen in den Wirtschaftswissenschaften vor. Zum einen, wenn es um Risiko, Unsicherheit oder Zufall geht, also beispielsweise bei Fragen der Vermögensverwaltung oder Portfolio-Planung. Zum anderen zur eleganten und übersichtlichen Behandlung von Optimierungsproblemen in höherdimensionalen Räumen. Und da die Wirtschaft keine eindimensionale Angelegenheit ist, kommt das häufig vor.

In Kapitel 7 schlagen wir eine Brücke zum Modul Mathematik 1, in dem es ja um Differentialrechnung und die Optimierung von Funktionen ging. Sie lernen, wie man mit Hilfe der Methoden der linearen Algebra auch in hochdimensionalen Räumen in sehr kompakter und transparenter Notation Optimierungsprobleme löst.

Die lineare Algebra ist ein Gebiet der Mathematik, das schon seit vielen Jahrzehnten in den Wirtschaftswissenschaften gebraucht und unterrichtet wird. Es gibt eine große Zahl von Lehrbüchern dazu. Sie können und sollten nicht nur mit diesem eLehrbuch arbeiten, sondern auch in andere (durchaus auch ältere) Lehrbücher schauen. Einen kleinen Überblick über andere Lehrbücher finden Sie in Kapitel A. Es gibt ferner sehr gute Videos, in denen die lineare Algebra präsentiert wird, vor allem die Seite 3blue1brown von Grant Sanderson. Für diesen Kurs wurden die Quellen als Ideengeber verwendet, die in Kapitel A ausgelistet sind.

Für ein tiefes Verständnis der Methoden ist es unumgänglich, selbst damit zu arbeiten. Das geschieht zuerst auf einem elementaren Niveau, indem man einfache Rechnungen per Hand oder mit Hilfe von R durchführt. In den Übungen behandeln wir jedoch auch umfangreichere Fallstudien.